"Selbst die fünf Hofdamen tanzten im Einklang mit den Flöten und Trommeln der Frösche. Der Wirbelwind aus Recyclingpapier war ein wahrer Anblick. Es war wie Computer-Graphic. Dass ich Technicolor-Parfaits und spießigen Bourgeoise gegenüber abgeneigt bin, ist in Oceania allseits bekannt. Es wird Zeit vom blauen Himmel heimzukehren! Das Konfetti wird um die Schrein-Tore tanzen, der Briefkasten und der Kühlschrank den Weg weisen! Alle denen das Haltbarkeitsdatum wichtig ist, werden sich nicht in den Weg des heiligen Zugs stellen können! Sie werden die Leben der Triangle-Herrscher gänzlich anerkennen müssen! Dieses Festival wurde von den Drittklässlern mit den Handykameras ins Leben gerufen! Kommt alle mit! Ich bin der ultimative Gouverneur!"
...das war der Nonsense den Professor Shima während einer Besprechung von sich gab, kurz bevor er mit Anlauf und schallendem Gelächter durch die Scheibe sprang und anschließend in die Tiefe stürzte.
...das war der Nonsense den Professor Shima während einer Besprechung von sich gab, kurz bevor er mit Anlauf und schallendem Gelächter durch die Scheibe sprang und anschließend in die Tiefe stürzte.
Shima wurde nicht etwa wahnsinnig im klassischen Sinne, sondern ist das Opfer einer Traum-Implantation. Hierbei wird einem Menschen der sich im wachen oder schlafenden Zustand befindet, mittels einer neuartigen Maschine, ein Traum in das Unterbewusstsein eingepflanzt, durch den für den Träumenden die Grenzen zwischen Traum und Realität verschwimmen. Die beim Träumen auftretende Paralyse, die den Körper daran hindert das im Traum Erlebte in der Realität auszuführen, ist nicht mehr länger vorhanden.
Träume visualisieren (und manipulieren) mit dem DC Mini
"DC Mini" so nennt man besagte Maschine, die von Shimas Forschungsteam entwickelt wurde, war ursprünglich für die psychotherapeutische Traumanalyse von Patienten gedacht - Träume lassen sich visuell darstellen. Sicherheitstechnische Mängel, die den DC Mini für Missbrauch anfällig machen, sind der Grund wieso das Gerät bisher für die breite Masse nicht zugänglich ist.
Dieser Mängel bedient sich ein unbekannter Saboteur, der einen der wenigen DC Mini Prototypen stiehlt, um die Träume von Menschen zu manipulieren. Die daraus resultierende schlechte Reputation soll die Einführung der revolutionären Methode verhindern, denn...
Dieser Mängel bedient sich ein unbekannter Saboteur, der einen der wenigen DC Mini Prototypen stiehlt, um die Träume von Menschen zu manipulieren. Die daraus resultierende schlechte Reputation soll die Einführung der revolutionären Methode verhindern, denn...
...laut dem Täter sind die Träume des Menschen unantastbar.
Soviel zur groben Rahmenhandlung von Paprika, die sich nach erstmaligem Sehen des Films bei all der augenscheinlichen Komplexität nur schwer zusammenfassen lässt. In erster Linie erleben wir die Geschichte des Films an der Seite von Dr. Chiba bzw. der titelgebenden Heldin "Paprika".
Chiba ist eine junge Wissenschaftlerin, die unter der Leitung Dr.Shimas mit der Entwicklung des DC Mini beauftragt ist. Nur wenige der Mitglieder wissen, dass Chiba den DC Mini illegalerweise für die Behandlung von Patienten verwendet. In privaten Sitzungen interagiert sie durch ihr Alter-Ego "Paprika" mit den Träumen der Patienten, um deren seelische Probleme zu erforschen und für Linderung zu sorgen. Im Gegensatz zur reservierten Chiba, ist Paprika wesentlich fröhlicher und sprunghafter.
Dieser Hinweis macht es einem bereits möglich zu erahnen welche Themen sich im Film, abseits des oberflächlichen Sci-Fi Elements, finden lassen. Um gewisse Querverweise auf Anhieb besser erkennen zu können, ist es durchaus hilfreich sich die früheren Filme Satoshi Kon´s in Vorbereitung auf Paprika anzusehen.
Im Jahre 2006 schuf Satoshi Kon, welcher vier Jahre später an Krebs verstarb, mit Paprika seinen letzten, großen Film und gleichzeitig die Adaption des gleichnamigen Romans von Yasutaka Tsutsui.
Zusammen mit Perfect Blue (1997), Millennium Actress (2001) und Tokyo Godfathers (2003) hinterlässt er der Nachwelt vier Meilensteine in der Geschichte des Anime-Films. Sein Erstlingswerk Perfect Blue gilt in Fankreisen als einer der besten Psycho-Thriller im Allgemeinen, und war zusammen mit Katsuhiro Otomo´s "Akira" wohl das Reverenzwerk, welches in der westlichen Welt mit dem Vorurteil aufräumte, dass sich japanische Animationsfilme lediglich an eine junge Zielgruppe richten würden. Selbst renommierte Regisseure wie Christopher Nolan und Darren Aronofsky bedienen sich Kon´s Ideen.
Zusammen mit Perfect Blue (1997), Millennium Actress (2001) und Tokyo Godfathers (2003) hinterlässt er der Nachwelt vier Meilensteine in der Geschichte des Anime-Films. Sein Erstlingswerk Perfect Blue gilt in Fankreisen als einer der besten Psycho-Thriller im Allgemeinen, und war zusammen mit Katsuhiro Otomo´s "Akira" wohl das Reverenzwerk, welches in der westlichen Welt mit dem Vorurteil aufräumte, dass sich japanische Animationsfilme lediglich an eine junge Zielgruppe richten würden. Selbst renommierte Regisseure wie Christopher Nolan und Darren Aronofsky bedienen sich Kon´s Ideen.
Losing Reality
Realitäts- und Identitätsverlust sind wiederkehrende Themen in den Filmen des Regisseurs.
In Perfect Blue wechselt die Protagonistin Mina von einer Karriere als Sängerin zur Schauspielerei und fühlt sich als Folge dessen von ihrem alten Ich verfolgt.
In Millenium Actress begleitet der Zuschauer die ehemalige Schauspielerin Chiyoko. Ihr droht der Verlust der eigenen Identität. Sobald sie in der Realität eine Situation durchlebt, die einer von ihr gespielten Filmszene ähnelt, reagiert sie nicht mehr nach ihrer ursprünglichen Persönlichkeit, sondern entsprechend ihrer Filmrolle.
In Paprika, so scheint es, fließen sämtliche Einflüsse der vorherigen Filme Kon´s zu einer Einheit zusammen, welche jedoch als eigenständige Gesamtkomposition bestens funktioniert.
In Perfect Blue wechselt die Protagonistin Mina von einer Karriere als Sängerin zur Schauspielerei und fühlt sich als Folge dessen von ihrem alten Ich verfolgt.
In Millenium Actress begleitet der Zuschauer die ehemalige Schauspielerin Chiyoko. Ihr droht der Verlust der eigenen Identität. Sobald sie in der Realität eine Situation durchlebt, die einer von ihr gespielten Filmszene ähnelt, reagiert sie nicht mehr nach ihrer ursprünglichen Persönlichkeit, sondern entsprechend ihrer Filmrolle.
In Paprika, so scheint es, fließen sämtliche Einflüsse der vorherigen Filme Kon´s zu einer Einheit zusammen, welche jedoch als eigenständige Gesamtkomposition bestens funktioniert.
Kon´s Steckenpferd: Die Verschmelzung von Traum und Realität
Die Geschichte von Paprika war durch die tricktechnische Freiheit von Animes, prädestiniert um als solcher umgesetzt zu werden, weshalb Tsutsui nach einem gescheiterten Realfilm-Projekt, sofort Satoshi Kon für die Realisierung im Sinn hatte. Kon setzte das Buch nach seiner eigenen Vorstellung um und verzichtete an vielen Stellen auf die Treue zur Originalvorlage, um seinem eigenen Stil freien Lauf lassen zu können. Dabei kommt die für Kon typische Technik des "nahtlosen Szenenübergangs" zum Einsatz, durch die ein unbemerkter Wechsel zwischen Illusion und Wirklichkeit entsteht.
Das Ergebnis ist ein Film der uns als Zuschauer auf eine metaphysische Reise schickt, und zumindest bei mir ein ganz gewisses Bauchkribbeln verursacht. Für dieses angenehmene Bauchgefühl sind vorallem die "wahnsinnig" schönen, wie surrealen Animationen verantwortlich, welche passend von einem psychedelisch-klingenden Soundtrack begleitet werden.
Wenn wir dem Traum von Ermittler Konakawa beiwohnen, in dem ihm der Flur eines Ganges wie ein schlüpfriger Teppich unter den Füßen wegrutscht und im selben Augenblick ein Mordopfer in Zeitlupe in Richtung Boden fällt, dann fordere ich jeden Verfechter von Filmen wie Inception heraus, der behauptet auf rein inszenatorischer Ebene bereits das Beste gesehen zu haben.
Elektropop mit asiatischer Volksmusik abgemischt
Ganz eigen ist der Soundtrack von Susumu Hirasawa, der auch zu Kon´s vorhergegangenen Filmen die Musik lieferte. Wie bereits erwähnt fügen sich die Klänge Hirasawa´s perfekt in die Traumwelt von Paprika ein und finden in ihr vielleicht sogar zum ersten Mal eine richtige Heimat. Traumartiger bzw. surrealer könnte ein Score kaum klingen. Sanfte elektronische Klänge vermischen sich mit Folklore-Gesang, der allerdings nur aus unzusammenhängender Wortlautmalerei bestehen zu scheint. Es fällt mir schwer eine gerechte Beschreibung für diese komplexen Kompositionen zu finden, ohne dabei extrem abgedroschen zu klingen. Leider bietet der Soundtrack nicht ganz so viel Vielfalt wie sie Hirasawa bei Millenium Actress lieferte. Das im Film öfters hörbare Theme "Parade" tröstet darüber allerdings hinweg und spukt durch seine hypnotische Stimmung noch lange im Kopf herrum.
“In Japan not just children but adults in their 20s and 30s will chose anime and manga as a means of escape from their real lives. But I think there is a danger too. If you go into that world, it is very vivid and colorful and seductive, but there are big traps within that, particularly if you let your real world deteriorate as a result.”
Mit diesem Zitat aus einem Interview der New York Times warnt Satoshi Kon. Dabei betonte er, dass er eine große Gefahr im übermäßigen Konsum moderner Unterhaltungsmedien sieht, und insbesonders in Japan viele Menschen dadurch ihren Halt in der Realität verlieren. Kon benutzt aber gerade das Medium Anime, um so die passende Zielgruppe für seine Botschaften zu erhalten, und will den Zuschauer herausfordern, sich dem Sog seiner wunderhübschen Welten zu entziehen. Um diesen Effekt beim männlichen Publikum zusätzlich zu verstärken werden die Hauptrollen seiner Filme lediglich mit weiblichen Rollen "besetzt", die ein gewisses Sexappeal versprühen.
Mit diesem Zitat aus einem Interview der New York Times warnt Satoshi Kon. Dabei betonte er, dass er eine große Gefahr im übermäßigen Konsum moderner Unterhaltungsmedien sieht, und insbesonders in Japan viele Menschen dadurch ihren Halt in der Realität verlieren. Kon benutzt aber gerade das Medium Anime, um so die passende Zielgruppe für seine Botschaften zu erhalten, und will den Zuschauer herausfordern, sich dem Sog seiner wunderhübschen Welten zu entziehen. Um diesen Effekt beim männlichen Publikum zusätzlich zu verstärken werden die Hauptrollen seiner Filme lediglich mit weiblichen Rollen "besetzt", die ein gewisses Sexappeal versprühen.
Wie real können Träume sein?
"Auch ich habe in letzter Zeit nicht mal mehr meine eigenen Träume gesehen", sagt Chiba in einer Szene. Wie bereits oben angedeutet - die Gegensätzlichkeit zu ihrem pixie-artigen Alter-Ego ist eine gelungene Veranschaulichung, dass Chiba ihre wahren Gefühle und Wünsche in der realen Welt unterdrückt und sie diese nur im Traum, in Form eines von ihr kreierten Ichs ausleben kann. Auch sie versteckt sich in einer Traumwelt, die durch den DC Mini zu einem Teil ihrer Realität wird.
Der Alptraum im schönen Gewand
Die Gefahr von moderner Technologie bzw. Illusionen wird durchgehend in Kon´s Filmen thematisiert. Die heitere bzw. verspielte Optik der Traumsequenzen von Paprika wird im Laufe der Handlung immer mehr von einer bedrohlichen Stimmung abgelöst. Schleichend schwinden die Trugbilder, mit denen uns die Scheinwelt versucht einzulullen, und zeigt bildhaft wie sich die Psyche der vom Traum infizierten Opfer verändert - wodurch letztendlich die reale Welt beeinflusst wird.
Paprika versucht weniger unterschwellig mit bereits etablierten und neuen Medien wie dem Internet abzurechnen, als vielmehr die Angst des Zuschauers heraufzubeschwören, der mit eben diesen Medien vertraut ist, oder man sich sogar selbst dabei ertappt einen guten Teil der eigenen Realität in diesen Medien zu finden.
Fazit:
Das letzte große Werk Satoshi Kon´s ist eine eigensinnige Komposition, die nicht nur zeitlich gesehen den Höhepunkt seiner Karriere darstellt. Mit Paprika ist ihm die Verschmelzung aller Ideen, die sich bereits in seinen früheren Filmen finden lassen, gelungen. Ein Film der den Zuschauer (zumindest in den Traumsequenzen) auf metaphyische Ebenen trägt, und wie viele meiner hier rezensierten Filme, auch nach mehrmaligem Sehen neue Hinweise über seine komplexe Geschichte preisgibt. Paprika will den Zuschauer nicht nur träumen lassen, sondern ihn herausfordern aus diesem Traum auch wieder aufwachen zu können. Schade, dass wir nicht mehr in den Genuss weiterer großartiger Filme des viel zu früh verstorbenen Regisseurs kommen werden. Ich werde auf jeden Fall noch lange von seinem Gesamtwerk zerren können.
Fazit:
Das letzte große Werk Satoshi Kon´s ist eine eigensinnige Komposition, die nicht nur zeitlich gesehen den Höhepunkt seiner Karriere darstellt. Mit Paprika ist ihm die Verschmelzung aller Ideen, die sich bereits in seinen früheren Filmen finden lassen, gelungen. Ein Film der den Zuschauer (zumindest in den Traumsequenzen) auf metaphyische Ebenen trägt, und wie viele meiner hier rezensierten Filme, auch nach mehrmaligem Sehen neue Hinweise über seine komplexe Geschichte preisgibt. Paprika will den Zuschauer nicht nur träumen lassen, sondern ihn herausfordern aus diesem Traum auch wieder aufwachen zu können. Schade, dass wir nicht mehr in den Genuss weiterer großartiger Filme des viel zu früh verstorbenen Regisseurs kommen werden. Ich werde auf jeden Fall noch lange von seinem Gesamtwerk zerren können.
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