Sonntag, 5. April 2015

Duel {1971}


Der etwas andere Monster-Movie!

Lass uns annehmen wir fahren mit unserem Auto die staubigen Landstraßen im Canyon Country entlang. Wie im Outback so üblich, ist weit und breit keine Menschenseele anzutreffen. Lediglich ein Tanklastzug taucht irgendwann vor uns auf. Bei dem Versuch ihn überholen zu wollen schert dieser plötzlich aus und versperrt uns den Weg. Bei einem erneuten Versuch bemerken wir, dass der Trucker uns scheinbar absichtlich nicht vorbeiziehen lässt.

Nach einem auffordernden Winken aus dem Fahrerhaus des LKWs dürfen wir doch passieren, nur um eine Sekunde später feststellen zu müssen, dass der Trucker uns direkt in ein entgegenkommendes Fahrzeug crashen lassen will, dem wir im letzten Moment noch ausweichen können. Eine lebensbedrohliche Verfolgungsjagd hat begonnen, dessen Sinn wir nicht begreifen. Was will der mysteriöse Trucker von uns?

Hört sich bei all der Willkür doch recht unrealistisch an?! Richard Matheson (Drehbuch) würde dem widersprechen. Seine persönliche Erfahrung mit Truckern, die einem unbekannterweise ans Leder wollen, diente ihm als Inspiration für die Story von Duel. Am Tag des Kennedy Attentats wurde Matheson, der wegen der welterschütternden Nachricht auf dem Heimweg war, in einer schmalen Straße von einem Trucker bedrängt. Im letzten Moment konnte Matheson einem tödlichen Manöver des Truckers ausweichen und notierte sich, nachdem der noch frische Schock überwunden war, die Ereignisse auf einem Briefumschlag.

"Übermacht gegen die Menschheit" oder metaphorisch "Truck verfolgt Mann"

Quasi aus dieser Prämisse entstand das Drehbuch zu Duel. Matheson versuchte zunächst die Idee an diverse Serien zu verkaufen, stieß dabei aber nur auf Ablehnung der Produzenten, da die Handlung zu wenig Spielraum ließe. So schrieb er zunächst eine Novelle, die wenig später im Playboy abgedruckt wurde. Als Universal auf die Kurzgeschichte aufmerksam wurde, begann Matheson´s Arbeit am eigentlichen Drehbuch.

Ein Juwel unter den frischen Erstlingswerken Spielberg´s

Auf dem Regiestuhl saß niemand Geringeres als Steven Spielberg, der mit Duel seinen Debutfilm verwirklichte und in der Vergangenheit an diversen TV-Serien beteiligt war. Mit Duel setzte Spielberg im Genre des Fernsehfilms einen Meilenstein. Die durchweg positiven Kritiken und die in Europa gezeigten Kinovorstellungen machten die Welt erstmals auf Spielberg aufmerksam.

Das stählerne Ungeheuer bei der Jagd

Wir begleiten Dennis Weaver in der Rolle von David Mann der mit seinem Plymouth Valiant eine trockene Landstraße entlangfährt und plötzlich von einem Truck in Form eines Peterbilt Conventional 281 Langhaubers angegriffen wird. Meine Wortwahl beschränkt sich insbesonders auf den "Truck" als Angreifer, da wir den Fahrer des Gefährts an keinem Punkt des Films zu Gesicht bekommen und lediglich die Boots, oder ein Arm des Truckers zu sehen ist. Dadurch wirkt der Unbekannte nicht nur übermächtig und unantastbar, sondern es ist das Vehikel selbst welches zum Nemesis unseres Protagonisten wird und plötzlich eine eigene Identität besitzt.

Um die monströse Erscheinung des Trucks zu unterstreichen, hat man sich für den Peterbilt Conventional mit geteiler Frontscheibe und langer Schnauze entschieden, um ihm quasi ein Gesicht zu verpassen. Details sind en masse zu finden: Rostige Karosserie, rußender Ausspuff, und der Schriftzug "Flammable" ziert das Heck des Tanklasters. Die an der Front montierten Autokennzeichen aus verschiedenen Bundesstaaten, lassen subtil darauf schließen, dass Mann scheinbar nicht sein erstes Opfer ist.

"DUELL! Das ist Film in Reinkultur"

Müsste ich zu Duel einen Trailer im Stil der 70er produzieren, würde ich ihm diese Tagline verpassen. Mit einer minimalistischen Rahmenhandlung versehen erzählt der Film seine Geschichte vorallem durch die passende Wahl von Einstellungen. 

Close-ups erzeugen die nötige emotionale Nähe zum Geschehen, und der Betrachter hat nur selten die Möglichkeit seinen Blick vom Wesentlichen abschweifen zu lassen. Oft blicken wir direkt durch Mann´s Augen, oder sehen aus der Froschperspektive wie der LKW bedrohlich auf uns zurast. Besonders hübsch sind die an mehreren Stellen vorkommenden Kamerafahrten, welche den Truck in Gänze einfangen und selbigen dadurch beinahe schon verherrlichen.

David "Mann" und Goliath

Wie in der ersten Tagline schon angedeutet, ist Duel ein Film der seine Spannung vorallem aus der Treue zum eigenen Motto schöpft. Laut Spielberg war Dennis Weaver mit seinem zeitgeistigen Allerweltsgesicht perfekt für die Hauptrolle, mit der sich Jedermann identifizieren sollte. Mit dem Name "Mann" wollte Drehbuchautor Matheson in der ursprünglichen Novelle sogar ein Synonym für "Menschheit" andeuten (was er im Anschluss eher belächelte). Ein am Truck befindliches Schild mit der Prägung "Keller" war eine unterschwellige Form "Killer" sagen zu wollen.

Der Film ansich ist von all diesem Symbolismus befreit, der in der Vorlage für das Skript noch zu finden war. Was übrig bleibt ist die auf 35mm gebannte Essenz, die hinter allen Andeutungen steckte. Ein kleiner Mann steht einer Übermacht gegenüber, und alles spricht dafür dass er verlieren wird. Wie würde (der Durchschnitts-) "Mann" reagieren wenn er einer solchen Situation ausgeliefer wäre?
In einer der wenigen Szenen abseits der Straße flüchtet sich Mann in einen Rasthof, in dem Glauben die Gefahr überstanden zu haben. Als er den Tanklaster in der Einfahrt parken sieht, muss er mit Schrecken feststellen, dass der Albtraum immer noch kein Ende hat. Der Trucker muss sich unter den Männern an der Bar befinden. Wir hören Mann´s Stimme aus dem Off, der mit einer neuen Angst im Nacken versucht den Trucker ausfindig zu machen. Zwischendruch versucht er die Gründe seines Verfolgers zu begreifen.

Da alle durchgespielten Möglichkeiten nur vage Annahmen sind, tut er das Vorgefallene als reinen Zufall ab, um seinem drohenden Wahnsinn nicht zu erliegen. Im Fahrerhaus des Trucks sitzt niemand, also wäre jetzt vielleicht die Chance gekommen um die Flucht zu ergreifen, doch die Angst vor einer weiteren Konfrontation ist zu groß.

Mann´s Blanko-Persönlichkeit dient als Platzhalter für den Zuschauer

Wenn wir auch nie viel über Mann erfahren, verraten einige Szenen (wenn auch wieder mal sehr subtil), dass es unserem Protagonisten scheinbar schwer fällt seinen "Mann" zu stehen. In einem frühen Telefonat mit seiner Frau, wirft diese ihm vor, dass er nicht genug Mumm besitzt, und unfähig wäre sie zu beschützen. In der Eröffnungssequenz hören wir aus dem Radio einen Anrufer, der im Rahmen einer Umfrage erwähnt, dass in seinem Haushalt "seine Frau die Hosen an hat". Meiner Vermutung nach ist der Film in diesem Punkt einfach nur zeitgeistig, oder die Filmemacher wollen von Anfang an klar machen, dass Mann alles Andere als ein Action-Held im klassischen Sinn ist. Vielmehr lässt sich sein Charakter mit den oft verwundbaren Figuren eines psychologischen Horrorfilms vergleichen.

Mann der über sich hinauswachsen konnte, findet endlich seine Catharsis, welche wir als Zuschauer mit ihm teilen.

Ein "Duell" wird der Film tatsächlich erst im letzten Viertel des Films. David muss feststellen, dass er dem Peterbilt nicht entkommen kann, da der Trucker sein Gefährt in Perfektion zu lenken weiß und Mann´s Plymouth Valiant nicht genug Kraft unter der Haube hat. Für den Verfolger wird die Länge der Strecke zum Vorteil und so besteht für unseren Protagonisten selbst bei idealem Vorsprung keine Chance auf eine erfolgreiche Flucht. Mann bleibt nichts anderes übrig als den Peterbilt unschädlich zu machen. Bis es zum Showdown kommt bietet der Film dauerhaft spannende Action, die besonders bei dem Einsatz von an den Fahrzeugen montierten Action-Cams spürbar wird. Passend dazu: Der Soundtrack besteht zum größten Teil aus einer Kakophonie von industriellen Geräuschen und verleiht dem Truck im wahrsten Sinne sein Thema.

"Action" hat hier wirklich noch Bedeutung und fühlt sich immer real an. Als es Mann gelingt in der finalen Konfrontation seinen Nemesis zu bezwingen, können wir uns nach 90 minütiger Atempause entspannt zurücklehnen und dem Untergang des Biests, in (aus heutiger Perspektive) altbewährten Slow-Motion Szene beiwohnen. Cheers!


Fazit:

Duel, ein Film den ich irgendwann mal in der Kindheit gesehen hatte und der seitdem komplett aus meinem Gedächtnis verschwunden war. Umso begeisterter war ich, als er mir nach einer Ewigkeit durch Zufall in die Hände fiel, und ich erstmals zu schätzen lernte, was den Kinderaugen verwehrt war. Die minimalistische Handlung macht den Film unglaublich greifbar. Spätestens ab dem ersten gefährlichen Fahrmanöver von David Mann, erwischt man sich als Betrachter, wie der Film einen am Kragen packt und man bereits in der Haut des Protagonisten steckt. Vorallem für die jüngere Generation ist der Film vermutlich ein absoluter Geheimtipp, den ich jedem Fan von klassischer Action und Filmen mit geradliniger Handlung ans Herz legen möchte.


Kleiner Tipp:

Wer einen HD-TV mit der Funktion (100Hz) "Motion Plus" besitzt, sollte diese (ansonsten eher ungewünschte) Funktion bei Duel mal aktivieren. Durch die flüssige Bildabfolge wirkt die Action noch rasanter und lebendiger. Man beachte die extra Portion Einschüchterung, wenn er Peterbilt auf die Kamera zurast. In den ruhigeren Szenen, ist die Funktion wie gewohnt eher irritierend.

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