Dienstag, 17. Februar 2015

The Deer Hunter {1978}


Michael Cimino´s "The Deer Hunter" trägt im deutschsprachigen Raum den Titel "Die durch die Hölle gehen" und ist nach "Thunderbolt and Lightfoot" der zweite Film aus Cimino´s überschaulichem Ouvre.

Nach der Veröffentlichung 1978, als einer der ersten Post-Vietnam Filme mit hohem Budget, räumte er bei der Oscarverleihung im darauffolgenden Jahr ordentlich ab mit:

- Bester Film
- Beste Regie
- Bester Nebendarsteller (Walken)
- Bester Ton
- Bester Schnitt
 
Im Atemzug mit vielen Filmen genannt, die sich thematisch dem damals kürzlich beendeten Vietnamkrieg verschrieben haben, sticht The Deer Hunter besonders dadurch hervor, dass der Film keinerlei Bezug auf tatsächliche Ereignisse Vietnams im Besonderen nimmt. Jeder x-beliebige Krieg hätte hier als Platzhalter dienen können. Vielmehr geht es um die Nachwirkung des Krieges im Allgemeinen. Im Vordergrund der Geschichte stehen vorallem die Hauptcharaktere, dessen Freundschaft zueinander, und wie der Krieg ihr Leben für immer verändert. Cimino verzichtet gänzlich auf historische Querverweise und erschafft ein Drama, in dem jede Figur völlig real wirkt. In drei Stationen begleiten wir unsere "Helden" ausgehend von einem glücklichen Leben, durch die Hölle des Krieges und wieder in die Heimat zurück, bei dem Versuch wieder ein normales Leben führen zu können.

Akt I

Die Eröffnungssequenz startet mit ohrenbetäubendem Lärm und Bildern die Feuer und Dunkelheit zeigen. Wir sehen die tägliche Arbeit im ansässigen Stahlwerk von Clairton, einer im westlichen Pennsylvania angesiedelten Provinzstadt. Wenn der wenige Augenblicke zuvor gezeigte Establishing Shot gefehlt hätte, würde das Gezeigte schon fast unheimlich wirken. Die Sirene zum Schichtwechsel ertönt. Mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen feiern Michael (Robert de Niro), Nick (Christopher Walken), Steven (John Savage), Stan (John Cazale) und John (George Dzundza) ihren Feierabend in einer Bar.

Freunde die sich offensichtlich seit Jahren kennen. Anspielungen auf vergangene Tage und lockere Sprüche werden ausgetauscht. Nach kurzer Zeit wirken die für uns unbekannten Charaktere bereits irgendwie vertraut und vorallem sympatisch. Wir erfahren, dass Steven die schwangere Angela heiraten wird. Michael ist unglücklich in Linda (Meryl Streep) verliebt, diese verlobt sich jedoch mit Nick. Soapige Themen die in diesem Film jedoch auf ein Ziel hinarbeiten und auch für sich stehend nie langweilig werden. Vorallem Christopher Walken bietet wohl die beste Performance die man je von ihm gesehen hat, lange vor seiner obligatorischen Over-the-Topness.

Die erste Stunde des Films lässt sich viel Zeit. Bis zu Akt II haben wir das Gefühl Mitglied einer kleinen Gemeinde von hart-arbeitenden und aufrichtigen Leuten zu werden. Auf der Hochzeitsfeier sehen wir glückliche Menschen. John singt im Chor der orthodoxen Kirche, ein zufriedenes Grinsen ziert sein Gesicht, denn er freut sich für seinen Freund Steve, der seine große Liebe gefunden hat. Durch die Dauer der Hochzeit mit knapp 20 Minuten fühlen wir uns in die Szene hineingezogen und können die ausgelassene Stimmung förmlich fühlen. Unterschwellig macht sich  jedoch eine böse Vorahnung breit, da die Hochzeit im selben Atemzug als Abschiedsfeier von Michael, Nick und Steven fungiert. Das glückliche Paar fährt im Hochzeitswagen davon, der Rest der Clique macht einen Abstecher in die Berge um auf die Jagd zu gehen.

In einer Zwischenszene bittet Nick, Michael um ein wichtiges Versprechen bezüglich Vietnam. Unter all den Machosprüchen auf dem Weg in die Berge von Pennsylvania, versteckt sich eine moralische wertvolle Grundeinstellung zur Jagd, die durch die musikalische Untermalung und besonders durch einige Sätze von Michael deutlich wird.

Akt II
 

"War is random death"!

Der Vorhang des ersten Akts fällt und wir sind im Dschungel Vietnam´s angekommen. Die ersten Minuten zeigen bitterste Gewalt. Langsam erfahren wir wie sich Michael, Nick und Steven in Extremsituationen verhalten werden.

Unsere Freunde befinden sich inzwischen in Gefangenschaft in einem Käfig am Kwai. Was folgt ist eine der ergreifendsten Szenen die ein Film je gezeigt hat. Nach und nach müssen die Kriegsgefangenen Russisch-Roulette gegeneinander spielen, unter der Aufsicht und dem Geldeinsatz der beiwohnenden Vietcongs. Wir sehen wie Menschen, die für uns bereits einen "Ich und Du"-Stellenwert besitzen auf realistischste Weise wahnsinnig werden. 

Spätestens jetzt hat der Film einen Punkt erreicht an dem er sämtliche Kinogänger polarisiert, wie die Premiere damals deutlich gezeigt hatte. Einige Parteien ergriffen zornig die Flucht aus dem Kinosaal, mit der Meinung, dass der Film eine Beleidigung für das Volk Vietnam´s sei, da Derartiges nie stattgefunden habe. Was hinter der Szene steckt ist jedoch weit mehr als die Guerillas in ein schlechtmöglichstes Licht zu rücken. Laut Cimino gilt die Idee des Russisch-Roulette lediglich als ultimative Metapher für das, was mit Menschen passiert wenn sie dem Chaos des Kriegs ausgesetzt sind. Das Schlachtfeld ist wie ein großes Wartezimmer. Menschen sterben oder überleben scheinbar willkürlich, wenn es nach einer halben Ewigkeit des Wartens auf den Feind, zu einer gewaltigen Entladung kommt. Selbst wer noch so wachsam bleibt, läuft Gefahr auf eine Mine zu treten oder von einem Querschläger getroffen zu werden. 

Das Spiel des Russisch-Roulette weist genau diese Eigenschaften auf. In Gefangenschaft auf seinen Einsatz warten, abdrücken, leben oder sterben. Man könnte es auch gerne als das "Konzentrat des Krieges" betrachten. Altbekanntes wie zum Beispiel der Einsatz von Napalm, Agent Orange, oder Schusswechsel in hohen Gräsern würden den Zuschauer, zumindest vergleichsweise, relativ kalt lassen. 

Während einem Duell gegen Nick gelingt es dem willenstarken Michael die Vietcongs zu überwältigen und die Flucht glückt. Bis dieser Moment eintritt, fühlt sich die Luft zum Schneiden dick an. Der gebrochene Steven wird aus dem mit Ratten und Leichen übersääten Käfig befreit, in den er als Strafe der Widersetzung eingesperrt wurde. Das Trio schwimmt den Fluss entlang, als ein verbündeter Helikopter zur Rettung eilt und es lediglich Nick gelingt sich mit letzter Kraft in dessen Cockpit zu hieven.

Michael und Steven fallen zurück in die Strömung, können sich jedoch im späteren Verlauf des zweiten Aktes in ein Lazarett retten. Nick der von den anderen getrennt wurde ist mit seinen traumatischen Erlebnissen alleine gelassen und wandelt verloren durch die Straßen Saigon´s. Er gibt sich einer wahnwitzigen Obsession hin als er erfährt, dass Russisch-Roulette als Glückspiel in Saigon´s Unterwelt existiert.
  

Akt III

Michael und Steven sind zurück in Amerika. Ab diesem Zeitpunkt weist das Drehbuch erstmals einige Schwächen auf. In erster Linie begleiten wir Michael, der ohnehin zumindest im Vergleich zu Steve (und wie sich später herrausstellt Nick), keinerlei physisch oder psychische Schäden davongetragen hat, versucht sich in das Leben zuhause zu integrieren. In der Stadt als Held gefeiert lebt er zurückgezogen. Von ihm erfährt Linda, dass Nick nicht zurückgekommen ist und vermisst wird. Michael´s Versuchung die besorgte Linda für sich zu gewinnen ist groß, doch er erinnert sich an das gegebene Versprechen an Nick, ihn nicht alleine in Vietnam zurückzulassen.

Michael bricht auf um Nick zu finden, der bis er von Michael gefunden wird scheinbar endlos viele Partien Russisch-Roulette überlebt hat, nur um letztenendes einen törichten Tod zu sterben. Steven, dem durch den Sturz aus dem Helikopter beide Beine amputiert werden mussten, fristet ein trostloses Dasein in einer örtlichen Klinik. 

Das Versprechen von Michael an Nick riecht beinahe schon nach einer sich selbsterfüllenden Prophezeihung, so offensichtlich fiel dessen Formulierung vor den Ereignissen in vietnam aus. Es bleibt fragwürdig wieso Nick sich absichtlich in sein eigenes Verderben stürzt, nachdem er den Terror am eigenen Leib erfahren musste. Eine Art selbstschützende Desensibilisierung? Cimino und Deric Washburn, die sich beide für das Drehbuch verantwortlich zeichnen, verließen sich hier möglicherweise zu sehr auf die vom Zuschauer erwartete Willing Suspension Of Disbelief, die in einem so geerdeten Film wie The Deer Hunter meiner Meinung nach nur begrenzt dehnbar sein sollte.

Hier hätte man zeigen können wie genau sich die Traumatisierung der Charaktere auf psychologischer Ebene, vorallem im Leben von Steven, bemerkbar macht, ungeachtet körperlicher Einschränkungen. Stattdessen sieht Michael regungslos zu, wie der frisch geborene Sohn von Steven und Angela mit einer Spielzeugpistole auf ihn zielt, und Michael das mit nur verspieltem Gesichtsausdruck erwidert, ohne den Eindruck dabei zu erwecken auch nur im Geringsten negative Gedanken mit dieser Geste zu assoziieren. Derartige Mängel fallen in der Regel erst bei zweiter Sicht des Films auf, denn nach wie vor lässt The Deer Hunter nicht locker und wir sind gefühlstechnisch derartig in die Leben der Charaktere investiert, dass wir erst am Ende des Films, wenn nach der Beerdigung Nick´s unsere Gruppe melancholisch zu einem "God Bless America" anstimmt, wieder vom Geschehen auf die Couch oder den Kinosessel zurückfinden.

Was Cimino mit einem solchen Ende zu einem so großartigen Film aussagen will, hat sich für mich immer noch nicht erschlossen.
 

Fazit:

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken und diese Review mit einem negativen Kritikpunkt enden zu lassen, kann ich nur sagen, dass The Deer Hunter einer der großen Klassiker des Kriegsfilms ist, der ansich keiner ist. Der Film zeigt das tragische Schicksal von realistischen Menschen und ist zudem wunderschön fotografiert. Mit Mängeln im letzten Drittel bildet der Film ein starkes Drama, in dem das Thema des Vietnamkriegs nur als McGuffin fungiert. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Empfehlung für jeden, der ihn bis Dato noch nicht gesehen hat. Letztenendes gerade deshalb weil der Film sich in seiner Gesamtheit so untypisch präsentiert, lädt er immer wieder dazu ein über seine Geschichte nachzudenken.

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